Evaluationskonzept des Geschwister-Scholl Gymnasiums Berenbostel
Im Folgenden möchten wir darlegen, was Evaluation leisten kann und warum wir die interne Evaluation bevorzugen.
Bei Evaluation geht es vor allem um die zu sichernde Qualität von Schule. In Niedersachsen sind die Ansprüche an Schulqualität bzw. die politische Sichtweise, was Qualität ausmacht, im Orientierungsrahmen Schulqualität (Niedersächsisches Kultusministerium 2014) festgeschrieben. Aufgabe der eigenverantwortlichen Schule ist es demnach, für sich zu definieren, was Qualität ausmacht und Wege zu finden, um diesem Anspruch zu genügen (Qualitätssicherung und -entwicklung). Die Definition von Qualität kommt damit in der Erarbeitung von Schulprogrammen und in der Evaluation von Unterrichts- und Schulqualität zum Tragen.
Mittels Evaluation sollen Erfahrungen, die in einem schulischen Arbeitsprozess gesammelt worden sind, genutzt, vertieft und systematisiert werden. Evaluation ist hierbei auf die einzelne Schulsituation, aktuell laufende Projekte oder den Unterricht zugeschnitten. Dieser Zuschnitt erfolgt durch die Wahl des Gegenstands, eines schulbezogenen Vorhabens (z. B. die Rückmeldung zur Projektwoche), des Zeitpunkts (vor, während oder nach der Durchführung des zu evaluierenden Vorhabens) und des Verfahrens selbst einschließlich der genutzten Methoden.
Um den Evaluationsprozess nachvollziehbar zu machen, stellen wir zunächst grundlegende Informationen und entscheidende Stationen im Ablauf jeder Evaluation dar, bevor wir unser Vorgehen für das Geschwister-Scholl-Gymnasium prinzipiell und am Beispiel von Evaluationsvorhaben der letzten Jahre konkretisieren. Grundlegend ist immer zu beachten, dass Schulprogramm und Evaluation unmittelbar zusammengehören. Die Selbstüberprüfung und -bewertung der Ziele der Schulentwicklung und der konkreten Arbeitsvorhaben ist ein zentrales Element von Schulprogrammarbeit und damit der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung. An dieser Stelle muss das Vorhaben ansetzen und nächstgenannte Aspekte sind in diesem Zusammenhang zu klären.
2.1 Bestimmung: Was kann Evaluation leisten?
Evaluation kann in unterschiedlichem Ausmaß drei grundlegende Funktionen wahrnehmen (vgl. Burkard & Eikenbusch 2000):
1. Planung, Steuerung und Beteiligung für Schulentwicklung
Diese Funktion betont den Werkzeugcharakter von Evaluation. Es werden Informationen bzw. Daten bei den Beteiligten gesammelt, um ihre Sichtweise einzuholen, Entscheidungen treffen zu können und gesichertes Wissen über die Effektivität von eingesetzten Verfahren oder Konzepten zu erhalten.
2. Selbstvergewisserung, Forschung und Erkenntnisgewinn
Mit Evaluation sollen das Wissen über die eigene Situation erweitert und neue Einsichten gewonnen werden, um Handlungssicherheit und Orientierung zu erhalten.
3. Rechenschaftslegung
Evaluation untersucht und bewertet die Qualität von erreichten Ergebnissen und von Arbeitsprozessen. Durch Evaluation kann man sich selbst und anderen Rechenschaft über die eigenen Leistungen geben und die Einhaltung eigener oder fremder Standards sowie die Zielerreichung überprüfen.
Die drei Funktionen können zwar für sich selbst gesehen werden, in der Praxis sind sie jedoch häufig miteinander verbunden oder werden gleichzeitig angestrebt, auch wenn Evaluation meist einen Schwerpunkt in einem der Felder setzt (für die Schulentwicklung sind die erste und die dritte Funktion maßgeblich).
Um einen solchen funktionalen Schwerpunkt setzen zu können, ist es ergänzend notwendig, sich im Vorfeld über das Ziel des geplanten Evaluationsvorhabens zu verständigen.
2.2 Vorteile der internen Evaluation gegenüber der externen Evaluation
In der internen Evaluation (Selbstevaluation) zeichnet die Schule für die Gestaltung und Durchführung verantwortlich, in der externen Evaluation (Fremdevaluation) übernehmen nicht an der Schule tätige, ggf. von der Schule beauftragte Personen die Verantwortung (vgl. Burkard & Eikenbusch 2000, S. 69). Ein Beispiel für eine Fremdevaluation ist die in Niedersachsen durchgeführte Schulinspektion.
Eine entscheidende Stärke der Selbstevaluation liegt aus unserer Sicht in der gezielten Nutzung schulinterner Ressourcen und damit verbundenen Chance zur nachhaltigen Weiterqualifikation der Beteiligten, denn die Planung, Durchführung und Auswertung von Evaluationsprozessen erfordert und vermittelt fundierte methodische Kenntnisse (vgl. z. B. Herangehensweisen von Rolff 1995, Kempfert & Rolff 2005, Eikenbusch 1998, Altrichter & Posch 1998) und stärkt die Reflexionskompetenz. Zusätzlich können die Ergebnisse sofort in den Arbeitsprozess eingebaut und umgesetzt werden.
Ergebnisse einer externen Evaluation wie der Schulinspektion benennen darüber hinaus Ansatzpunkte für die Schulentwicklung und sind damit Impulsgeber für die Ausrichtung der internen Evaluation, die immer auch auf die Verstetigung oder Steigerung von Unterrichts- und Schulqualität abzielt.
Ein direkter Ansatz kann hier die Evaluation der im Schulprogramm beschriebenen Arbeit der Projektgruppen sein. Es kommt dadurch zu einer stärkeren Einbindung von Lehrkräften und Eltern in die Schulentwicklungsarbeit. Diese Selbstevaluation sorgt im Idealfall zudem für eine breite Akzeptanz der eigenen Arbeit, ein gezielteres und wirkungsvolleres eigenes Handeln im Aufgabenfeld und letztendlich eine Steigerung der Qualität und Leistungsfähigkeit der Schule in dem konkreten Bereich ( vgl. Burkard & Eikenbusch 2005).
Im Vorfeld einer Evaluation ist es sinnvoll, sich innerhalb der Schule zu verständigen, was man unter Evaluation verstehen will, wofür sie als notwendig erachtet wird und welchen Stellenwert sie im Rahmen der eigenen Unterrichtsgestaltung und Schulentwicklung haben soll.
3.1 Systematische Planung des Ablaufs
Über die Klärung von Arbeitsaufgaben und Zuständigkeiten von Gremien oder Arbeitsgruppen hinaus spielen klare Vereinbarungen und Absprachen bei der Vorbereitung und Durchführung von Evaluationen eine wichtige Rolle. Solche „Kontrakte“ haben eine nicht zu unterschätzende Wirkung auf unsere erfolgreiche gemeinsame Arbeit:
Die jeweilige Projektgruppe und die Evaluationsbeauftragten bereitet die Befragung vor.
Es werden nur Daten erhoben, die keine Rückschlüsse auf einzelne Personen zulassen. Alle Daten werden jederzeit vertrauensvoll gehandhabt.
Der vereinbarte Zeitrahmen muss eingehalten werden.
Die jeweilige Projektgruppe wertet die Befragung aus.
Über die Ergebnisse der Befragung wird ein kurzer schriftlicher Bericht verfasst, der über die Evaluationsbeauftragten der Schulleitung vorgelegt wird.
Die Befragungsergebnisse werden zunächst nur innerhalb der Schule diskutiert.
Die Schulleitung und der Schulvorstand entscheiden über weitere Schritte wie zum Beispiel den Umgang mit den Daten
Um den Projektgruppen unserer Schule die Evaluation zu erleichtern, bieten sich Planungsraster oder die Orientierung an Leitfragen an. Sie können helfen, die Vorbereitung und Durchführung zu strukturieren.
3.2 Auswahl der Evaluationsinstrumente
Versteht man Schulevaluation als Analyse der jeweils vorliegenden individuellen Situation zum Zweck eines besseren Verständnisses selbiger (vgl. Burkard & Eikenbusch 2000), können für die Sammlung von Daten in der Schule eine Vielzahl unterschiedlicher Verfahren eingesetzt werden. Im Sinne der Gegenstandsangemessenheit ist dabei zunächst immer in Übereinkunft mit der Schulleitung zu klären, ob eine Evaluation die ganze Schule tangieren soll oder ob kleinere Bereiche oder Projekte evaluiert werden sollen. Für umfassendere Evaluationsvorhaben können weitere etablierte Instrumente wie SEIS, der Lüneburger Fragebogen oder das Selbstbewertungskursbuch genutzt werden. Instrumente können auch im Sinne der Mehrperspektivität, also der Betrachtung des Gegenstands aus verschiedenen Perspektiven (z. B. aus Schüler- und Lehrersicht), parallel verwendet werden: Fragebogen, Interviews, Klassenarbeiten und andere Verfahren der Lernerfolgsüberprüfung, begleitende Beobachtungen (z. B. Unterrichtshospitationen).
Bei der Auswahl und Gestaltung gilt wiederum das Kriterium der Gegenstandsangemessenheit, die Instrumente sind kontinuierlich an die jeweiligen Ziele und Gegebenheiten anzupassen. Auch besitzen alle Instrumente aufgrund ihrer spezifischen Charakteristika Vor- wie Nachteile, die es abzuwägen gilt. Entscheidend ist zudem, sich als Beteiligte/r einer Evaluation klar zu machen, dass wir am Geschwister-Scholl-Gymnasium keine exakte empirische Schulforschung betreiben können und wollen. Methoden und Schulevaluation müssen deshalb nur bedingt wissenschaftlichen Kriterien genügen. Es sollte jedoch im Vorfeld klar sein, ob es dabei um die Erhebung von Daten über kognitives Wissen (also Fakten und Sachverhalte; sog. objektive Daten) oder eher um Einstellungen (sog. subjektive Daten) geht.
3.3 Durchführung der Evaluation
Bestimmte Projekte oder Teile davon sollen jährlich evaluiert werden. Dieses dient der Qualitätssicherung durch die kontinuierliche Weiterentwicklung der jeweiligen Vorhaben. Ein Abgleich mit den Inhalten des Schulprogramms ist dabei unerlässlich.
Zum Vorgehen bei einer Durchführung haben wir bereits einige allgemein gehaltene Hinweise gegeben, für die Konkretisierung bietet sich insbesondere die exemplarische Orientierung an bereits durchgeführten Vorhaben an, die schulintern eingesehen werden können.
3.4 Auswertung der Evaluation
Es gibt eine Vielzahl von Möglichkeiten, Evaluationen auszuwerten. Es muss im Vorfeld einer Befragung überlegt werden, ob eine quantitative oder qualitative Auswertung erfolgen soll.
Quantitative Erhebungen sind in der Regel unterstützt durch die Anwendung eines Computers und entsprechender Software. Sie sind bei sehr großen Datenmengen wie z. B. bei einer schulübergreifenden Befragung sinnvoll.
Bei Evaluationen in kleineren Gruppen, wie beispielsweise unseren Projektgruppen, bietet sich eine qualitative Auswertung an. Auch hierbei werden die herkömmlichen Strichlisten geführt, um aspektorientiert auszuwerten, aber der Schwerpunkt liegt in der Interpretation der überschaubaren Datenmengen. Es geht hierbei nicht um ein statistischen Gütekriterien entsprechendes Arbeiten.
Wesentlich ist, dass die Ergebnisse zunächst in einer kleineren Gruppe und später der Schulleitung, der Eltern- und Schülervertretung anderen Gremien kommuniziert und schließlich mit ihnen sinnvoll interpretiert werden. Die Aktionsforschung prägte hier den Begriff der „kommunikativen Validierung“, also der kommunikativen Übereinkunft oder Verständigung über die Ausdeutung und Einordnung der Ergebnisse. Durch diese Maßnahme werden die unterschiedlichen Interpretationsmöglichkeiten sichtbar. Eigene Positionen können hierbei hinterfragt werden. Ziel der kommunikativen Validierung ist es, zu gemeinsamen Interpretationen von Daten und zu einer Gleichsinnigkeit, also gemeinsam getragenen Erkenntnissen und gesetzten Zielen innerhalb des Kreises der an Schule beteiligten Personen zu kommen (vgl. Burkard & Eikenbusch 2000, S. 137).
Auf dieser Grundlage kann sich unsere Schule, die sich als „lernende Schule“ (Halirsch 2008) versteht, erfolgreich weiterentwickeln.
3.5 Beispiele aus unserer Praxis als Evaluationsbeauftragte
Evaluation am Geschwister-Scholl-Gymnasium begleitet das Tagesgeschäft von uns Lehrkräften, führt aber auch zu grundlegenden strukturellen Änderungen:
Bei einer Quo vadis?-Befragung des Kollegiums wurden von uns auf einer Pinnwand im Lehrerzimmer über mehrere Wochen hinweg Anregungen des Kollegiums zur organisatorischen Weiterentwicklung und Ausstattung unserer Schule gesammelt, ausgewertet und an die zuständigen Gremien weitergeleitet.
Grundlegend etablieren konnten wir eine zuerst fachgruppenübergreifende und nunmehr fachgruppeninterne Kollegiale Unterrichtshospitation (KUH). Der von uns hierfür als Prototyp entwickelte und seitdem stetig weiterentwickelte Beobachtungsbogen erlaubt eine Systematisierung und in Teilen auch eine Standardisierung des Hospitationsprozesses.
Im Rahmen einer SchiLf wurde eine Selbstevaluation der Fachgruppen durchgeführt. Unterstützend wurde von uns das Vorhaben an die Fachobleute kommuniziert, ein Evaluationsbogen konzipiert und eine Vorlage zur Dokumentation des Auswertungsprozesses für die zuständigen Gremien bereitgestellt.
Derzeit beschäftigen wir uns mit Möglichkeiten zur Evaluation von Unterricht durch Schülerinnen und Schüler. Zudem gilt es die Kollegiale Unterrichtshospitation hinsichtlich Frequenz und Anzahl der Beteiligten noch fester zu verankern, auch im Schulprogramm.
Altricher, H. & Posch, P. (1998): Lehrer erforschen ihren Unterricht. Bad Heilbrunn, Klinkhardt.
Burkard, C., Eikenbusch, G. (2005): Praxishandbuch Evaluation in der Schule. Berlin, Cornelsen.
Halirsch, O. (2008): Bildungs- und Erziehungsauftrag von Schule. In: Bovet & Huwendiek (Hrsg.): Leitfaden Schulpraxis. Pädagogik und Psychologie für den Lehrberuf. Berlin, Cornelsen. S. 532-552.
Kempfert, G., Rolff, H.-G. (2005): Qualität und Evaluation. Ein Leitfaden für pädagogisches Qualitätsmanagement. Weinheim, Beltz.
Niedersächsisches Kultusministerium (2014): Orientierungsrahmen Schulqualität in Niedersachsen. (Aufruf 27/10/2015)
http://www.mk.niedersachsen.de/portal/live.php?navigation_id=1911&article_id=6339&_%20psmand=8
Rolff, H.-G. (1995): Wandel durch Selbstorganisation. Weinheim, Beltz.
Weiterführend:
Bastian, J. Combe, A. & Langer, R. (2007): Feedback-Methoden: Erprobte Konzepte, evaluierte Erfahrungen. Weinheim, Beltz.
Berger, R., Granzer, D., Looss, W. & Waack, S. (2013): „Warum fragt ihr nicht einfach uns?“ Mit Schüler-Feedback lernwirksam unterrichten. Weinheim, Beltz.
Ditton, H. (1999): Qualitätskontrolle und -sicherung in Schule und Unterricht. In: Helmke, Hornstein & Terhart (Hrsg.): Qualitätssicherung im Bildungsbereich. Zeitschrift für Pädagogik, Beiheft 41, Weinheim. S. 73-92.
Dubs, R. (1998): Qualitätsmanagement für Schulen. Baustein für die Fortbildung von Leitungsmitgliedern in Schulen zur Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung in den Schulen des Landes Nordrhein-Westfalen. Soest (hekt.)
Helmke, A. (2010): Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität. Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze, Klett/Kallmeyer.
Klippert, H. (2008): Pädagogische Schulentwicklung: Planungs- und Arbeitshilfen zur Förderung einer neuen Lernkultur. Weinheim, Beltz.
Mayring, P. (1999): Einführung in die qualitative Sozialforschung. Weinheim, Beltz.
Mittelstädt, H. (2006): Evaluation von Schule und Unterricht. Strategien und Praxistipps. Mülheim an der Ruhr, Verlag an der Ruhr.